Laut dem aktuellen McKinsey-Report zur globalen KI-Adoption ist der technologische Fortschritt im Legal-Tech-Sektor deutlich schneller als dessen praktische Umsetzung. Nur ein Prozent der Unternehmen verfügen über den notwendigen „AI Reifegrad“, um KI systematisch und effizient einzusetzen. Und doch kündigen 92 Prozent an, ihre Investitionen in KI weiter zu erhöhen. Für Legal Tech ergibt sich daraus eine klare Botschaft: Es reicht nicht, Tools zu kaufen – man muss sie auch organisatorisch integrieren.

Strukturelle Reife statt nur technologische Faszination

KI kann juristische Prozesse vereinfachen, beschleunigen und sogar qualitativ verbessern. Doch ohne die richtige Struktur bleiben Legal-Tech-Projekte oft Strohfeuer. Hauptgründe laut McKinsey:

  • Kaum Training für Mitarbeitende – viele wissen nicht, wie KI-Tools sinnvoll eingesetzt werden.
  • Fehlende Kollaboration zwischen Fach- und Technikabteilungen – Silos verhindern produktive Lösungen.
  • Mangel an iterativen Umgebungen für Pilotprojekte – es fehlt an sicheren Räumen zum Experimentieren.

Wie Legal-Tech-Anbieter gegensteuern können

Rechtstechnologie entfaltet ihren Nutzen erst mit struktureller Einbettung. Erfolgreiche Anbieter setzen deshalb auf Skill-Mapping und gezielte Kompetenzentwicklung, um bestehende Fähigkeiten sichtbar und ausbaubar zu machen. Ebenso zentral sind Schulungsprogramme, die juristische und technische Perspektiven zusammenbringen – etwa in Form interdisziplinärer Trainings oder gemeinsamer Workshops. Auch Testfelder (Reallabore) zur praxisnahen Erprobung von KI-Lösungen – idealerweise direkt im operativen Umfeld, etwa in einer Fachabteilung oder Kanzlei – sind ein Schlüssel zum Erfolg.

Ein Beispiel: Eine mittelständische Wirtschaftskanzlei integriert ein KI-gestütztes Recherche-Tool direkt in die tägliche Fallbearbeitung. Parallel werden Jurist:innen durch interne Legal-Tech-Schulungen und Peer-Coachings begleitet. Die durchschnittliche Recherchezeit sinkt, während die Akzeptanz im Team steigt. Das zeigt, wie strukturelle Maßnahmen – von Tool-Einführung über begleitendes Training bis zur Kulturentwicklung – konkrete Mehrwerte schaffen können.

Gerade in der Rechtsbranche trifft technologische Innovation auf tradierte Prozesse. Der Generationswechsel könnte hier den Unterschied machen: Laut Report zeigen Millennials (35–44 Jahre) die größte Offenheit gegenüber KI. Ein gezieltes Talentmanagement könnte Legal Tech daher nicht nur schneller, sondern auch nachhaltiger machen. Organisationen, die diese Offenheit gezielt fördern, verschaffen sich einen strategischen Vorsprung.

Fazit

Der McKinsey-Report 2025 ist eine klare Mahnung: Wer Legal Tech erfolgreich machen will, muss es organisatorisch ernst nehmen. Tools allein bringen keinen Fortschritt – erst mit den passenden Strukturen, Kompetenzen und Schnittstellen wird KI im Rechtsbereich zum echten Produktivfaktor. Es braucht Führung, die den Wandel nicht nur technisch, sondern auch kulturell begleitet.

Legal-Tech-Verantwortliche sollten sich daher nicht nur fragen, welche Software sie einsetzen wollen – sondern vor allem, ob ihre Organisation schon bereit ist, mit ihr zu arbeiten.

Quelle: https://www.mckinsey.com/capabilities/mckinsey-digital/our-insights/superagency-in-the-workplace-empowering-people-to-unlock-ais-full-potential-at-work


Daina arbeitet als Legal Tech Engineer bei einer Großkanzlei in Düsseldorf. Ihre Begeisterung für Legal Tech vertiefte sie während ihres LL.M.-Studiums, das ihr fundiertes Wissen über die Schnittstelle von Recht und Technologie erweiterte. Zusätzlich engagiert sie sich als stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Legal Tech Labs und teilt ihr Fachwissen regelmäßig durch Blogbeiträge.