
Anti-Doping-Maßnahmen und Datenschutz: Ist die Veröffentlichung von Dopingsündern in Österreich mit der DSGVO vereinbar?
Die Nationale Anti Doping Agentur Austria GmbH (NADA Austria) veröffentlicht die Namen von Sportlern, die gegen die Anti-Doping-Regeln des österreichischen Anti-Doping-Bundesgesetzes (ADBG) verstoßen haben. Diese Praxis der NADA Austria dient der Förderung von Fairness und Integrität im Sport durch Transparenz und Abschreckung. Die Veröffentlichungspraxis der NADA Austria steht im Einklang mit Vorgaben des Welt-Anti-Doping-Codes (WADC), der von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) verabschiedet wurde. Die WADA ist eine internationale und weltweit agierenden NGO im Bereich des Anti-Doping im Leistungssport. Sie ist bekannt für eine besonders strenge Anti-Doping-Haltung.
Vier Profisportler, die gegen das ADBG verstoßen haben und daher auf der Website der NADA Austria namentlich gelistet wurden, beantragten im Oktober 2021 bei der österreichischen Anti-Doping-Rechtskommission (ÖADR) und der NADA Austria die Löschung ihrer Klarnamen. Sie begründeten dies mit einem angeblichen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nachdem dieses Begehren und ein behördliches Verfahren bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) erfolglos blieben, legten die Beschwerdeführer einen Rechtsbehelf ein. Das daraufhin mit der Sache betraute österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) setzte das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof sieben Fragen zur Auslegung der DSGVO im Wege der Vorabentscheidung vor.
Der Gerichtshof erhält damit erstmalig die Gelegenheit, die Veröffentlichungsregelungen nationaler Anti-Doping-Stellen, deren nationale Regelungen im Zusammenhang mit dem WADC stehen, im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten zu würdigen. Wesentliche Grundlage für die Veröffentlichungen in Österreich ist der § 5 Abs. 6 Nr. 4 ADBG, wonach „der Allgemeinheit […] Sicherungsmaßnahmen und Sperren von Sportlerinnen bzw. Sportlern […] unter Angabe der Namen der betreffenden Personen […]“ grundsätzlich bereitzustellen sind. Diese Regelung beruht auf 14.3 des WADC. Der WADC ist ein privatrechtliches Instrument, zu deren Einhaltung sich die Unterzeichnerstaaten im Rahmen des Internationalen UN-Übereinkommens gegen Doping im Sport verpflichtet haben. Im Vordergrund steht die Harmonisierung der Sportorganisation, insbesondere in Bezug auf Anti-Doping-Maßnahmen, wodurch der WADC ein transnationales sektorielles Rechtssystem bildet. Die Offenlegungsregelung des 14.3.1 WADC ordnet Folgendes an: „the identity of any Athlete […] who is notified of a potential anti-doping rule violation, […] may be Publicly Disclosed by the Anti-Doping Organization […].“
Beide Veröffentlichungsregeln stehen im Spannungsfeld zum Schutz der personenbezogenen Daten und den Regelungen der DSGVO.
Schlussantrag des Generalanwalts Spielmann
Am 25. September 2025 legte der Generalanwalt Spielmann seinen Schlussantrag in der Sache C‑474/24 (NADA Austria u.a.) vor. Er stellte heraus, dass die automatische und undifferenzierte Veröffentlichungsregelungen der Klarnamen von Dopingsündern, wie in den österreichischen Fällen praktiziert, mit der DSGVO, unvereinbar sei. Unter Herausarbeitung der Anwendbarkeit der DSGVO, auch wenn die Dopingbekämpfung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle und keinen wirtschaftlichen Charakter habe, bezweifelt Generalanwalt Spielmann das Erfordernis der bisherigen Klarnamennennung im Hinblick auf die verfolgten Ziele. Er meine, die Ziele können auch dann erreicht werden, wenn eine namentliche Veröffentlichung auf die zuständigen Stellen und Sportverbände beschränkt und zusätzlich eine pseudonymisierte Veröffentlichung im Internet vorgenommen werde.
Generalanwalt Spielmann betonte, dass jede Veröffentlichung personenbezogener Daten die Grundsätze der DSGVO – wie Datenminimierung, Zweckbindung und Verhältnismäßigkeit – beachten müsse. Die in Österreich praktizierte Veröffentlichungspraxis, bestehend aus Klarnamen und einer unbegrenzten, systematischen und automatischen Veröffentlichung, führe zu einem Eingriff in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Eine ausgewogene Abwägung der verschiedenen Interessen sei damit nicht genüge getan. So könne eine Veröffentlichung personenbezogener Daten nur zulässig sein, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig erfolgt. Hierbei seien auch die Reichweite, die Dauer der Veröffentlichung und die öffentlichen Interessen in die Abwägung einzubeziehen.
Chancen & Risiken der Veröffentlichung von Klarnamen im Doping Kontext
Die Veröffentlichung von Dopingsündern kann zur Förderung von Fairness und Integrität im Sport beitragen, indem sie Transparenz schafft und Abschreckungspotenzial entfaltet. Sie kann auch dazu beitragen, das Vertrauen in die Anti-Doping-Maßnahmen zu stärken. Allerdings birgt sie auch Risiken, wie Persönlichkeitsverletzungen und Stigmatisierung der betroffenen Personen. Zudem besteht die Gefahr einer fehlenden Differenzierung nach Schwere des Verstoßes, was zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der betroffenen Personen führen kann.
Praktische Implikationen
Angesichts der datenschutzrechtlichen Bedenken empfiehlt es sich, die Praxis der automatischen Veröffentlichung von Namen sanktionierter Sportler zu überdenken. Eine differenzierte Veröffentlichung, etwa durch Pseudonymisierung, zeitliche Begrenzung oder Datenminimierung, könnte eine datenschutzkonforme Alternative darstellen. Es muss erneut eine Abwägungsentscheidung basierend auf dem öffentlichen Interesse und dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen für die Veröffentlichungspraxis getroffen werden. Nach dem Schlussantrag von Generalanwalt Spielmann muss das Pendel stärker zum Schutz der betroffenen ausschlagen, um den Effekt des „elektronischen Prangers“ (Schlussantrag vom 25.09.2025 C-474/24, Rn. 165) zu beseitigen.
Ausblick
Der Ausgang des Verfahrens wird für die Veröffentlichung der Klarnamen von Dopingsündern in Österreich und der Europäischen Union richtungsweisend sein und voraussichtlich zu mehr Rechtssicherheit beitragen. Die Schlussanträge des Generalanwalts Spielmann sind für den Gerichtshof nicht bindend. Es bleibt daher abzuwarten, ob der EuGH seiner Auslegung folgen und die Vorlagefragen entsprechend beantworten wird.
Die EuGH-Entscheidung hat keine unmittelbare Wirkung auf den WADC; allenfalls ist eine mittelbare Wirkung auf künftige Fassungen des WADC denkbar. Für die laufende Überarbeitung des WADC ist dies jedoch kaum realistisch. Die Überarbeitung soll noch in diesem Jahr während der Sechsten Weltkonferenz zum Doping im Sport vom 1. bis 5. Dezember 2025 in Busan, Südkorea, abgeschlossen und präsentiert werden. Bis dahin ist nicht mit einer Entscheidung des EuGH zu rechnen. Zwar wäre grundsätzlich eine nachträgliche Anpassung des WADC 2027 bis zu dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2027 denkbar, doch erscheint es unwahrscheinlich, dass die Ausführungen des Generalanwalts Spielmann Dezember Berücksichtigung finden oder das Urteil des EuGH im Nachhinein mittelbare Auswirkungen auf die internationale Anti-Doping-Praxis haben wird.
Auf der österreichischen Ebene zeigen sich bereits Tendenzen zu einer differenzierteren Veröffentlichungspraxis. Mit dem Anti-Doping Bundesgesetztes 2021, das seit dem 1. Januar 2021 in Kraft ist, wurden in Österreich bereits neue Einschränkungen für die Veröffentlichungspraxis normiert. In § 5 Abs. 6 Nr. 4 Satz 2 ADBG besteht die Möglichkeit von einer Veröffentlichung abzusehen. Die Möglichkeit gilt für besonderes schutzbedürftige Personen, insbesondere minderjährige Sportler sowie Freizeitsportler. Ob sich dieser Trend fortsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Abschließend sei auf die Diskussion zu den Enhanced Games hingewiesen. Dabei handelt es sich um Wettbewerbe, in denen leistungssteigernde Substanzen und Methoden ausdrücklich erlaubt, gefördert, beworben und zum Bestandteil des Wettkampfs gemacht werden. Anti-Doping und Anti-Doping-Maßnahmen stehen somit nicht nur im Spannungsfeld eines gewandelten Verständnisses des Schutzes personenbezogener Daten, sondern auch in der breiteren Debatte um die Grenzen menschlicher Selbstoptimierung. Die Frage, ob der Hochleistungssport künftig weiterhin auf dem Ideal des natürlichen Wettbewerbs beruhen wird oder sich schrittweise in eine normalisierte Praxis kontrollierter Leistungssteigerung transformiert, wird die Anti-Doping-Debatte der kommenden Jahre maßgeblich prägen.

Konstantin ist Rechtsanwalt sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an der Universität zu Köln. Darüber hinaus engagiert er sich als Mitglied im Legal Tech Lab Cologne.
